Schlemmereule

Fine Dining für kleines Geld

Weiße Tischdecken, dunkles Holz, gestärkte Servietten. Opulente Statuen und weiße Rosen. Michelangelos Fresko „Die Erschaffung der Welt“ als Deckengemälde. Servicemitarbeiter in weißen Blusen und Hemden, die konzentriert durch den Raum huschen. Helle Beleuchtung und Kerzenschein. Klassische Einrichtung mit modernen Akzenten. Festlich und gemütlich zugleich. Ein 3-Gänge-Menü für 65 Euro. Wir sind in Peter Schmalens Schlemmereule in Trier. Nach über 30 Jahren eine wahre Institution. Noch keine Auszeichnung vom Guide Michelin, aber eine erste Erwähnung. Wir sind hier, weil wir es für ein Restaurant mit großem Potential halten. Unser Abend vor Ort wird dies bestätigen. Aber auch offenbaren, dass die Küche dieses Potential nicht immer richtig ausschöpft.

Holprig aber herzlich

Eine überaus freundliche Begrüßung, freie Tischwahl. Wir sind die ersten Gäste des Abends. Haben unsere Wahl bereits getroffen, als wir entdecken, dass die Menüauswahl nicht der aktuellen Auflistung auf der Webseite entspricht. Schade. Wir bitten um etwas mehr Zeit, studieren die Karte und wählen neu. Entscheiden uns bei Vorspeise, Hauptgang und Dessert für klassischen Varianten. Es kommen Brot, Butter und alkoholfreier Aperitif. Die Butter ist so hart, dass sie beim Versuch sie zu verstreichen das frische Brot zerreißt. Der Drink aber ist köstlich. Wir fühlen uns wohl. Die herzliche Art der Servicemitarbeiter der Hauptgrund.

Saibling: Feines Aromenspiel zum Start

Der Gruß aus der Küche fällt für jedem Tisch anders aus. Es scheint mindestens drei verschiedene zu geben. Wir erhalten geräucherten Saibling auf Kartoffel-Kürbis-Salat mit Mango-Chili-Dressing an Meerrettichschaum und gepickeltem Rübchen, könnten damit kaum glücklicher sein. Schlichte Anrichteweise, aber tolles Farbspiel. Klassische Kombination mit modernem Twist. Der Salat ist herrlich sämig, bietet mit seiner fruchtigen Note einen tollen Kontrast zum würzigen Fisch. Ohne allzu großen Aufwand, grandiose Aromen kombinieren, scheint das Küchenteam absolut zu beherrschen. Und: Amuse-Gueule sind in dieser Preisklasse keineswegs selbstverständlich. Ein so perfekt abgeschmecktes Häppchen gereicht zu bekommen, ist daher eine besondere Freude. Wir fühlen uns in unserer Restaurantwahl bestätigt, können die nächsten Gänge kaum erwarten.

Jakobsmuscheln: Eine Vorspeise auf Sterne-Niveau

Wir haben kaum aufgegessen, da werden Jakobsmuscheln vom Grill, mit Fenchel, Orange und Pumpernickel Chip serviert. Bereits optisch ist der erste Gang ein Gedicht und beweist große Handwerkskunst. Denn hier trifft feinporiger Schaum auf Chips so dünn und filigran, dass sie fast surreal erscheinen. Auch wenn die Sprossen mit etwas mehr Liebe auf dem Teller hätten platziert werden können, weiß man so schon vor dem ersten Bissen: Diese Vorspeise wird eine kulinarische Offenbarung! Die Jakobsmuscheln sind auf den Punkt gebraten, stehen in der Schlemmereule regelmäßig in verschiedenen Varianten auf der Karte, werden hier zum Beispiel auch mit roter Bete und Pistazien gereicht. Leicht glasig und mit dezenten Röstaromen thronen sie heute förmlich auf der Sauce mit feinen Meeresfrüchte- und Orangennoten. Was besonders gefällt: Der gelungene Balanceakt, in der Sauce den intensiven Geschmack von Meeresfrüchten einzufangen. Was schnell plump schmecken kann, ist hier absolut harmonisch. Ein Geniestreich auf Sterneniveau. Wir sind vollauf begeistert. Ob es uns gemundet hat? Eine Frage, die nur eine Antwort zulässt: „Ausgezeichnet!“

Gediegener Gourmettempel im Herzen der Altstadt

Im Restaurant herrscht inzwischen emsiges Treiben, beinahe alle Tische sind besetzt. Das dunkle der Nacht wirkt durch die riesigen Fenster dramatisch. Die Bar gleich gegenüber dem Eingang teilt sich das Etablissement in zwei Hälften. Ich schlängle mich – vorbei an den inzwischen gut gefüllten Zweier-Tischen – durch den Saal. Die symmetrische Ausrichtung der Tafeln, lässt den Raum noch größer wirken. Es wirkt wie mit dem Lineal vermessen. Und dennoch nicht steif. Am Ende der Treppe ins Untergeschoss verbirgt sich ein kleines Fenster mit Blick in die Küche. Ein Einblick hinter die Kulissen. Hier wird konzentriert gearbeitet, durch die Küche gewirbelt. Auch wer die Waschräume eigentlich nicht besuchen muss, sollte hier einmal vorbeischauen. Lange verweilen aber lässt es sich nicht. Schnell wieder hoch, um den nächsten Gang nicht zu verpassen.

Bananen-Kirsch-Sorbet: Kindheitserinnerung ohne Finesse

Ein Zwischengang zur Überraschung. Bananen-Kirsch-Sorbet. Eine Nocke aus dem Bilderbuch. Zartschmelzend, feiner Glanz. Aber die Kombination vermag an nichts anderes als Kiba aus dem Tetrapack zu erinnern. Eine Assoziation, die sich nicht bei Seite schieben lässt, so sehr man es auch versucht. So unfair dieser Vergleich auch ist. Für einen Zwischengang zu süß, zu wenig durchdacht. Ein trauriges Ausatmen. Nicht weil es nicht schmeckt. Sondern, weil es ein so großer Bruch zu den vorherigen Gängen ist. Haben diese klar gezeigt, wie sehr das Team bei Handwerk und Kreativität brilliert, lässt der Zwischengang Einfallsreichtum vermissen. Wie einfach hätte man hier mit einer modernen Komposition glänzen können. Wir träumen von einem Rosmarin-Sorbet. Oder etwas ähnliches, das auf spannende Weise erfrischt. Ein Mouthcleaner statt einem Dessert mitten im Menü. Und ärgern uns, weil wir wissen, dass es dem Küchenteam bei dem gezeigten Know-how ein Leichtes gewesen wäre.

Kalbsrücken: Jede Gabel voll ein Hochgenuss

Das Hauptgericht präsentiert sich rustikal angerichtet, wirkt etwas hektisch drapiert. Aber geschmacklich überzeugt es auf ganzer Linie. Auf unseren Tellern stapeln sich rosa Kalbsrücken und geschmortes Kalbsbäckchen auf Sellerie und Kartoffelcrème mit Röstzwiebeln. Aromen, die man mit Omas Sonntagsküche assoziiert. Aber so pointiert, dass es kaum Luft mehr nach oben gibt. Ja, die Sauce ist vergleichsweise hart am Salz, aber genau das gefällt! Zeigt es doch, dass hier nicht mit falscher Scheu gekocht wird. So würzig, wie es sein muss. Keine einzige Flocke Salz mehr hätte es sein dürfen. Es ist ein Statement! Wir feiern dieses Selbstbewusstsein. Es ist ein mutiger Kochstil, den man andernorts vermisst. Auch die Kalbsbäckchen setzen ein großes Ausrufezeichen hinter den Hauptgang. Zart wie selten und langsam geschmort, zerfallen sie beim Anschnitt förmlich. Ein Kalbsrücken aus dem Bilderbuch, Sellerie mit dem perfekten Biss, die Kartoffelcreme herrlich sämig. Wir wundern uns ehrlich, warum die Schlemmereule nach dreißig Jahren nicht höher dekoriert ist.

Service: Lebhafter Austausch

Wir haben keine uns fest zugeteilte Servicekraft. Servieren, abräumen, vergewissern. Das Team teilt sich die Aufgaben. Und funktioniert wie ein Uhrwerk. Schnell und aufmerksam, ohne auch nur eine Sekunde steif zu wirken. Wenn wir Fragen haben, werden diese detailliert beantwortet, wenn nötig, prompt bei den Kollegen nachgehört. Ja, in der Sauce sei Mango verarbeitet. Ja, die Schlemmereule gab es vor über zwanzig Jahren bereits in anderen Räumlichkeiten. Nein, eine Auszeichnung des Michelin Guides gäbe es noch nicht. Ein Austausch, der Spaß macht. Selten wirkt das Servicepersonals so ehrlich interessiert wie hier. Wir können Kritik frei äußern. Diese wird begrüßt, nicht nur abgenickt. Wo andere zurück in die Küche eilen, wird hier aktiv nachgefragt, alles wie selbstverständlich an die Küche weitergegeben. Ein Service am Gast, wie er besser nicht sein könnte. Am liebsten würde man stundenlang weiterreden.

Crème brûlée: Ein Zuckerschock zum Abschied

Was der feierliche Abschluss des Menüs werden sollte, enttäuscht. Das Dessert aus Crème brûlée mit Tonkabohne, Aprikosen-Rosmarin-Kompott und Macadamia Eis ist alles andere als stimmig. Denn das verbindende Element zwischen den einzelnen Komponenten ist vor allem die Tatsache, dass alles zu süß ist. Es fehlt die Spannung, der Kontrast. Dort wo es eine starke Fruchtsüße als Gegenspieler gebraucht hätte, herrscht stattdessen Monotonie. Nach zwei Löffeln hat man einen Zuckerschock. Die Macadamia-Nüsse im Eis zu groß, das Kompott eher Marmelade. Die perfekte Karamellkruste der Crème brûlée kann dies nicht mehr ins Positive verkehren. Es wirkt als hätte jeder eine Komponente zubereitet und niemand das große Ganze im Blick behalten. Geschweige denn, einmal zusammen probiert. Was einzeln funktioniert, ergänzt sich nicht. Es passt einfach nicht zusammen, ist auch von der Menge viel zu viel. Ich gebe nach ein paar Löffeln auf. Das Eis isst meine Begleitung, die Crème brûlée bleibt stehen. Wie schade, denn sie ist der Star des Gerichts. Aber das Scheinwerferlicht wurde ihr nicht gegönnt. Weniger wäre hier mehr gewesen. Wieder philosophieren wir mit der Bedienung über den Gang. Man sieht uns die Enttäuschung an. Und den Zwiespalt, weil die Küche davor so geglänzt hat. Wir waren so begeistert. „Und dann kam das Dessert …“, seufzt die Servicedame und leidet einen Moment mit uns.

Über den Erwartungen aber unter dem Möglichem

So gerne hätte ich an dieser Stelle resümiert, dass sich die Schlemmereule sicherlich bald über eine Dekoration wie einen Michelin Plate freuen wird können. Doch dafür haperte es auch nach 30 Jahren noch an zu vielen Stellen. Die Gangfolge zu schnell, die Rechnungsmappe auf ganzer Länge eingerissen, der Zwischengang unstimmig, das Dessert nicht ausbalanciert. Und doch würde ich meine absolute Empfehlung aussprechen! Warum? Weil uns das Team um Peter Schmalen begeistert hat. Weil ich ehrlich glaube, dass man Kritik ernst nimmt, sich weiter verbessern will. Weil das Menü auf meine Nachfrage hin auf der Webseite sofort aktualisiert wurde. Weil die Liebe zum Produkt da ist. Und das Potential für brillante Kompositionen. Weil das Gesamterlebnis die Fehler verzeihen lässt. Weil man sich willkommen fühlt und gerne wiederkommt. Weil uns der Service nachhaltig beeindruckt hat und man für verhältnismäßig kleines Geld Großes geboten bekommt. Weil Auszeichnungen nicht immer alles sind. Ja, vielleicht kocht die Schlemmereule nicht auf Sterneniveau. Aber vielleicht braucht sie das auch nicht. Besonders der direkte Vergleich mit Restaurants mit ähnlichen Konzepten wie dem maiBeck zeigt: Es ist nicht immer das höher dekorierte Restaurant das besser kocht. Liebes Schlemmereule-Team, danke für einen insgesamt gelungen Abend gespickt mit kulinarischen Highlights. Wir kommen gerne wieder.

Wir besuchten das Restaurant am 21. Januar 2020 und hatten 2 x 3 Gang Menü (2 x Grüße aus der Küche + 2 x Jakobsmuscheln + 2 x Überraschungszwischengang + 2 x Kalbsrücken + 2 x Crème brûlée) und 1 x Flasche Wasser + 2 Monin Bitter Orange für insgesamt 152,50 Euro

Schlemmereule | Domfreihof 1b | 54290 Trier | www.schlemmereule.com

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